Jubelgeschrei, Blitzlichter und Freudentränen sind die Bilder des Abends, die sich über meine Netzhaut in das Kurzzeitgedächtnis brennen. Emotionale Höhepunkte wie dieser sind zumeist ein überraschendes Element. Sie lassen sich nicht planen, auch wenn, wie in diesem Fall, monatelang darauf hingearbeitet wurde. Ich stehe in der Galerie State Studio in Berlin, wo gerade die Ausstellung „GURLZ WITH CURLZ – we are more than stereotypes“ stattfindet. Die Initiatorin heißt Linda Nübling. Sie ist der Grund für meine Anwesenheit. Sie greift zum Mikrofon und beginnt mit gut gewählten Worten über ihr Projekt zu sprechen. Ihre ganze Erscheinung strahlt in diesem Moment ehrliche Freude und uneitlen Stolz aus. Mich bewegt das und den Gästen geht es ebenso. Es müssen ca. 200 sein oder gar 500? Ich bin schlecht im Schätzen von Menschenmassen. Auf jeden Fall ist es rappelvoll. Ich habe Linda mittlerweile gut genug kennengelernt, um von ihrer perfektionistischen Ader Kenntnis genommen zu haben. Geplant wird bis ins letzte Detail. Doch die wohlwollende Begeisterung, die gerade jetzt den Raum füllt, lässt sich wie oben bereits erwähnt nicht planen – Freudentränen. Verdient.
Vertrauen
Linda Nübling ist Kommunikationdesignerin und Münchnerin, Kuratorin, eine Macherin und obendrein ein herzlicher Mensch. Über gemeinsame Bekannte erhielt ich den Kontakt und wagte mich aus meiner Konzeptionshöhle hervor. Ich nahm das smarte Fon in die Hand und wählte Ihre Nummer. Eine freundliche, feste Stimme sprach zu mir und ich erklärte der Person, zu der sie gehörte, was ich mit dem 257Mag vorhabe. Sie sprach mir nicht nur Mut zu, sondern erklärte sich sofort bereit, sich mit mir zu treffen. Ich danke ihr für den Vertrauensvorschuss, gab es zu diesem Zeitpunkt weder eine Website noch eine einzige Story. Kurze Zeit später besuche ich Linda in ihrem Grafikbüro Studio NÜE. Die Begegnung beginnt herzlich und luftig.
Wir sprechen über Leidenschaften, Werdegänge, Kaffee und das Leben als Unternehmer*innen. Gemeinsamkeiten zwischen Gesprächspartnern schaffen eine Atmosphäre des Vertrauens, die es erlauben, auch den Unterschieden unvoreingenommen Raum zu geben. In diesem Raum ist dann Zeit und Platz für bereichernde, inspirierenden Momente. Wie sind deine Erwartungen an deine Zukunft? Welche Herausforderungen oder Ängste siehst du für deinen Weg? Warum machst du das überhaupt? Eine bemerkenswerte Eigenschaft, die ich oft bei Menschen beobachte, die vielleicht nicht den Sinn des Lebens, aber einen Sinn in ihrem Leben gefunden haben, ist die Fähigkeit Unsicherheiten nicht zu Ängsten werden zu lassen, die einen lähmen.
„Im Grunde weiß ich bis heute nicht, wo mich meine Arbeit in der Zukunft hinführt und wie mein „Job“ aussehen wird. Zwei Dinge weiß ich hingegen ganz genau – Erstens: ich werde immer mit anderen Menschen eng zusammenarbeiten. Ich liebe das! Zweitens: Es ist mir wichtig, dass ich mich viel ausprobiere und mich weiterentwickle“ meint Linda im Verlauf der Unterhaltung.
Ein sehr persönliches Projekt
Diese zwei Grundsätze ziehen sich wie ein roter Faden durch Lindas Projekte. Zum Beispiel in der Gründung ihres Grafikbüros Studio Nüe. Es ist sowohl die Basis kreativer Kollaboration als auch Ausstellungsraum für Künstlerinnen und Künstler. Besonders genau schaue ich mir ihr aktuelles Projekt an. Es ist längst über den Status des Ausprobierens hinausgewachsen: „GURLZ WITH CURLZ – we are more than stereotypes.“ Hier werden Kollaboration und Kunst um die Dimension des Politischen erweitert. Für „GURLZ WITH CURLZ“ hat sich Linda mit ihrer Freundin und Fotografin Meki Fekadu zusammengetan.
Im Zentrum stehen Portraitaufnahmen von Frauen mit ethnischem Hintergrund, die allesamt auffallend lockiges Haar haben. Die Locken sind zwar zentraler Bestandteil des Namens und das Motiv der Portraits, doch sie stehen nicht im Fokus der Gespräche. Sie sind vielmehr ein Türöffner für Diskussion über alltäglichen Rassismus in Deutschland und das Eindringen in die Intimsphäre ihrer Trägerinnen. „Jede der portraitierten Frauen kennt diesen Satz: Du hast aber schöne Haare, darf ich die mal anfassen?“ erklärt mir Linda auf meine Frage nach der Idee für die Motivwahl. Oft folge dem Ausspruch der direkte Griff ins Haar. Ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und auch eine Form der Stigmatisierung. Diese Art von alltäglichem Rassismus wird oft heruntergespielt, nicht selten wird den Betroffenen gesagt, man solle sich nicht so anstellen.
Von einer Ausstellung zur Plattform
„Wir haben „GURLZ WITH CURLZ – we are more than stereotypes“ ins Leben gerufen, um dem ungewollten Rassismus, der meist aus Unwissenheit entsteht, entgegenzuwirken“, sagt Linda. Was als einzelne Ausstellung begann, ist mittlerweile zu einer Ausstellungsreihe und einer Plattform gewachsen. Eine Plattform, die Menschen zusammenbringt, um ihre Erfahrungen zu teilen, aufzuklären und Diskussionen anzuregen.
„Wenn meine Kunst nichts mit den Sorgen und Schmerzen der Menschen zu tun hat, wofür ist ‚Kunst‘ dann da?“
Ai Weiwei, b. 1957
Mehr als eine Ausstellung
Das Highlight des Jahres dürfte für Linda und ihre GURLZ WITH CURLZ die Ausstellung im State Studio am 16. November 2019 gewesen sein. Die intensiven Vorbereitungen, die Wahl der Räumlichkeiten, die ästhetischen Portraits und der Kurzfilm sind die Puzzleteile, die zum Erfolg dieses Abends führen. Linda Nübling ist zwar die Choreographin, Art Direktorin und Regisseurin der Veranstaltung, doch heute ist ein anderes ihrer Talente am wichtigsten: Menschen zusammen bringen, um gemeinsam etwas zu schaffen, das mehr als diese Ausstellung an sich ist. Ich bin entzückt und inspiriert; als Fotograf, Feminist und politischer Mensch.
Möchtet ihr mehr über Linda Nübling oder ihr Projekt „GURLZ WITH CURLZ – we are more than stereotypes“ erfahren, dann findet ihr hier eine Liste von Webadressen:
Linda Nübling
Zu Linda Nübling: https://rosa-mag.de/gurlz-with-curlz-im-gespraech-mit-linda-nuebling/
Studio NÜE: http://studio-nue.com/
GURLZ WITH CURLZ
Instagram: https://www.instagram.com/_gurlzwithcurlz_/
Facebook: https://www.facebook.com/events/state-studio/gurlz-with-curlz-we-are-more-than-stereotypes-berlin/418295872421915/
Info: http://studio-nue.com/category/blackcommunity/
Ein Wort zum Schluss
Wenn euch Story No. 3 gefallen hat, dann teilt sie mit den Freunden, die sich auch dafür interessieren könnten. Das 257Mag ist mein persönliches Herzensprojekt und nur durch euer Feedback und durch eure Unterstützung bleibt es lebendig. Ich würde mich freuen, wenn ihr dran bleibt, Vorschläge für inspirierende Persönlichkeiten macht und der Welt vom 257Mag erzählt. Danke, dass ihr mir und Linda 5 – 10 Minuten eurer Zeit gespendet habt. Ich weiß das sehr zu schätzen. Bis zum nächsten mal …
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