In einer Zeit, in der sowohl Musikkonsum, als auch Musikproduktion hauptsächlich aus Einsen und Nullen besteht, folgt die Sehnsucht nach Haptik vielleicht dem Naturgesetz der Reaktion. Ein schönes Beispiel für akustische Haptik ist Vinyl. Das Revival der Schallplatte ist kein Trend, sondern eben genau das: Eine Wiedergeburt. Sie ist zurückgekommen, um zu bleiben. Und wie bei einem guten Espresso aus der eigenen Siebträgermaschine geht es um den gesamten Prozess der Zubereitung. Was zu einem persönlichen Schatz und zur, im positivsten Sinne des Begriffes, Liebhaberei geworden ist, will besonders geschützt werden. Ist es anders zu erklären, wie ramar aus Berlin mit einem Produkt wie einer Schallplattenbürste so erfolgreich geworden ist? Natürlich ist es noch viel mehr. Was das ist und woher die Leidenschaft für eine Bürste kommt, habe ich von dessen Gründer, Rangel Vasev erfahren.
Rangel Vasev studierte Neuere und Neueste Geschichte, Politikwissenschaft und Bulgaristik in Berlin und ging zunächst in den Journalismus. Wir lernten uns in der Redaktion eines Politikmagazins kennen. Ich hatte ihn als Praktikanten eingestellt. Während ich zu jung und unerfahren für so eine Verantwortung gewesen war, ist er vollkommen überqualifiziert für diese Position gewesen. Seine Neugier, sein Wissensdurst und sein Engagement haben mich nachhaltig beeindruckt. Ästhet war er zu diesem Zeitpunkt längst. Wir verstanden uns auf Anhieb. Mich trieb es kurze Zeit darauf in andere Agenturen und Unternehmen.
Rangel wurde vom Beobachter politischer Ereignisse zu jemandem, der einen Beitrag zu politischer Gestaltung leisten wollte. Er nahm eine Stelle im Bundestag an. Das war vor ca. 10 Jahren und seitdem gab es bis auf Likes auf Instagram wenig Kontakt. Mit Begeisterung habe ich aber genau diesen Instagram-Feed aus der Ferne beobachtet und war froh, als ich Rangel, nun Gründer von ramar, für einige Expressis und Geschichten wiedersehen konnte.
„Nach 7 Jahren im Bundestag habe ich mir die Frage gestellt, für wessen Kopf ich hier arbeite bzw. ob ich noch an das glaube, was ich hier tue. Ich sah meine Lebenszeit an mir vorbeiziehen und ich spürte, dass sich etwas verändern muss“ erzählt Rangel direkt zu Beginn. „Musik hatte schon immer einen sehr großen Stellenwert in meinem Leben. Bereits während meines Studiums habe ich meine große Leidenschaft zu analoger Musikwiedergabe entdeckt, vor allem via Schallplatte. Und dann erfüllte ich mir einen kleinen Traum: Einen japanischen HiFi Plattenspieler und Verstärker aus den 1970er Jahren. Dieser Sound!“ Die Idee für eine Schallplattenbürste kam ihm schließlich aus zwei Richtungen zugeflogen. Erstens waren alle Bürsten, die es auf dem Markt gibt von ungenügender Qualität und teilweise sogar regelrecht unbrauchbar für das, was sie tun sollten. Zweitens entsprachen sie „nicht meinem Designanspruch“, begründet Rangel. Er hatte schon eine ganze Weile den Drang verspürt, ein Produkt zu entwickeln, das man anfassen kann. Etwas, das er mit seinen eigenen Händen herstellt. Auch als Beleg für getane Arbeit. Wenn es das passende Zubehör nicht gibt, dann hat er ab jetzt eine Aufgabe.
Hier war die Idee. Doch wo beginnen? Es folgen Jahre der Recherche nach geeigneten Materialien und Partnern, die bei der Produktion zuliefern könnten oder geeignetes Werkzeug zur Eigenproduktion herstellen. „Ich hatte keine Ahnung von Werkstoffen, Werkzeugen oder Software, die mir beim Modellieren helfen würde. Das war sehr viel Trial-and-Error und unendliche Stunden am Telefon mit Menschen aus aller Welt“ erzählt mir Rangel lachend und schmunzelt weiter „3D-Softwareprogramme kann ich jetzt auch!“ Man sollte hervorheben, dass es sich hier nicht um ein schönes Copycat handelt, bei dem jemand ein gutes Händchen für Design hatte. Die Schallplattenbürste von ramar hält auch einiges an Innovation bereit. Sechs Doppelreihen Kohlenstofffasern und zwei Reihen Ziegenhaar setzt er in aufwendiger Handarbeit selbst ein. In jede Bürste. Für mich war dabei ein Erlebnis mal Kohlefasern in der Hand zu halten. Soft soft sooooft.
Nimmt man eine der ramar.berlin Schallplattenbürsten in die Hand bemerkt man sofort, dass hier extrem viel Zeit und Liebe zum Details reingeflossen ist. „Es sind schon ein paar Jahre zusammengekommen, an denen ich auch nach langen Office-Tagen und Dienstreisen direkt in meinen Keller gegangen bin, um Prototypen zu bauen oder das Fräsen zu lernen. Als ich endlich das fertige Produkt in der Hand hielt, war ich einerseits stolz. Anderseits auch total überrascht, wie groß das Interesse an meinen Bürsten ist.“
Heiliger Gral
Mittlerweile hat Rangel mit ramar nicht nur Designpreise gewonnen, sondern wird in Fachzeitschriften, Foren und in der Welt der HiFi-Fans für seine Innovation und die Qualität seiner Produkte gefeiert. Hier und da wird seine Bürste sogar als „Heiliger Gral“ bezeichnet. Strahlend sitzt Rangel vor mir, schaut aber auch ein wenig verlegen: „Ich mache das nun in Vollzeit. Ich habe ein schönes Atelier in der Nähe meiner Wohnung, kann Familie und meinen Beruf viel besser zusammenbringen. Das ist mir wichtig. Viele neue Ideen habe ich auch. Aber vor allem: Ich bin mein eigener Herr und habe das Privileg etwas tun zu können, das ich wirklich zu 100 % tun will.“
Rangel ist ein sehr wacher und bescheidener Typ. Aus seinem Mund Sätze zu hören, die wie „ich bin mit der Idee beschenkt worden, aber vor allem Stolz auf das, was ich dafür getan habe, damit daraus etwas Echtes wird“, sind für mich pure Inspiration.
Mehr über ramar.berlin und Rangel Vasev:
Web: https://ramar.berlin
Social: Instagram & Facebook / YouTube
Wenn euch Story No. 10 gefallen hat, dann teilt sie bitte mit den Freunden, die sich auch dafür interessieren könnten. Das 257Mag ist mein persönliches Herzensprojekt. Nur durch euer Feedback und durch eure Unterstützung bleibt es lebendig. Ich würde mich freuen, wenn ihr dran bleibt oder Vorschläge für inspirierende Persönlichkeiten macht. Danke, dass ihr den Rangel Vasev und mir 5 – 10 Minuten eurer Zeit gespendet habt. Ich weiß das sehr zu schätzen. Bis zum nächsten mal…