Mich fasziniert die Mischung aus Selbstbewusstsein und Bescheidenheit von Justin Biegall. Weder würde er behaupten ein besonders guter Fotograf zu sein, noch ungefragt von den vielen Likes erzählen, die er unter seinen Bildern auf Instagram einsammelt. Dabei hat er bereits mit seinen jungen Jahren (im Verhältnis zu mir, ich alter Sack) einen eigenen, starken Style entwickelt und einen ziemlich lebendigen Instagram Account. Wenn Justin über Fotografie spricht, dann mit Begeisterung, Demut und der Haltung, immernoch ganz am Anfang zu stehen. Ich mag das. Und ich mag wissen, was ihn antreibt, wieso er Tag für Tag loszieht, um zu fotografieren und wie so eine Jagd nach dem Foto bei ihm aussieht. Daher habe ich ihn gefragt, ob ich ihn einen Tag lang mit meiner Kamera (Fujifilm X-T2) begleiten darf. Dieser Artikel liefert seine Antwort: Ja, klar! Was euch erwartet: Ihr könnt nicht nur dem talentierten Justin Biegall bei der Arbeit zuschauen, sondern bekommt auch seine fertigen Ergebnisse von der Tour zu sehen. Und am Ende waretet noch ein Interview mit ihm. Also, los geht´s!
Justin ist ein unaufgeregter Typ aus Berlin, Tegel (my areacode!). Wir hatten uns letztes Jahr während einer Veranstaltung eines NGOs kennengelernt. Mit angenehmer Leichtigkeit kamen wir ins Gespräch, denn wir hatten beide unsere Kameras um den Hals. Es hat schnell geklickt. Es war offensichtlich: ihn trieb die gleiche Leidenschaft an, die mich seit Jahren für Fotografie begeistert. Eine Begeisterung, die dich stundenlang vor dem Lärm der Welt bewahrt, indem sie dich in die einzige Zeit beamt, die wirklich zählt – das hier und jetzt. Ich glaube das nennt man „flow.“ Justin hat einen ziemlich beeindruckenden Insta-Feed. Sein thematischer Schwerpunkt: Architekturfotografie. Architekturfotografie?! Ja, genau! Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber Architekturfotografie hatte mich persönlich nie sonderlich interessiert. Doch dann kam Instagram und eine rasant wachsende Community von „Archihuntern“, die dieses verstaubte Genre zu neuem Leben erweckt hat.
Worum geht´s dabei? Frei und künstlerisch interpretiert, werden Gebäude, Brücken, Treppen zu Cityscapes oder abstrakten Bildern, in denen man sich verlieren kann. Also mir geht es so. Bei den richtig guten Bildern erinnert mich das manchmal an einen Blick ins Lagerfeuer. Stundenlang kann man in die Flamen schauen, ohne dass es jemals langweilig werden könnte. Abgesehen von „sicken“ Perspektiven spielt der Edit, also der Look eine entscheidende Rolle. Doch die Jagd nach besonderen Orten, die man oftmals überhaupt nicht betreten darf, ist Teil des Reizes, wie ich im Verlauf des Tages erfahren darf.
Justin Biegalls Instagram
Schau dir mal die Bilder von Justin ganz genau an. Man sieht, dass er nicht über Aufwände nachdenkt, um ein gutes Foto für seinen Instagram Feed zu bekommen. Wenn du für etwas brennst, dann nimmst du dir die notwendige Zeit. No matter what! Genau das fasziniert mich an Menschen, die für eine Sache, ein Projekt oder eine Message brennen. Zeit wird relativ und dehnt sich aus. Als Außenstehender fragt man sich dann, woher diese Extrastunde pro Tag genommen wird. Wir haben doch alle nur diese 24 Stunden zur Verfügung. Justin ist so jemand. Soviele gute Bilder pro Woche in seinem Instagram Feed. Wie geht das? Dabei wirkt er weder gehetzt noch getrieben. Eher angetrieben. Er sagt, er möchte selbst inspirieren und nicht nur Inspiration „konsumieren.“ Klar, ein paar Likes findet er auch ganz geil. Aber wer ist schon frei von sowas? Ich jedenfalls nicht.
Es kann losgehen
So, nun will ich es endlich wissen. Wie sieht eine Tour von Justin aus? Ein lustiger Zufall spielt mir in die Karten: Ich habe eingangs erwähnt, dass wir beide aus Berlin Tegel kommen. Zeitgleich sind wir beide nach München gezogen. Keine Ausreden mehr. WhastsApp an Justin „Hast du Bock?“ – Antwort: „Ja, hab ich.“ Also losgezogen und Bilder gejagt. Justin jagt Gebäude, ich jage Justin (kling schräg, ich weiß). Das Ergebnis unserer Tour seht ihr hier unten. Das Interview folgt direkt im Anschluss.
Wir betreten ein Bürogebäude im Domagkpark. Justin hatte im Vorbeigehen einen Blick in das Gebäude geworfen und meinte: „Lass doch einfach mal rein und gucken.“ Ich bin ein alter Schisser, aber dachte mir „Mitgefangen, mitgehangen.“ Wir fuhren im recht verlassenen Bürokomplex ganz nach oben. Er hatte einen guten Riecher. Den braucht man auch, genau wie Spontanität.
No.1 Tipp: guck immer nach oben!
Justin Biegall im Interview mit 257Mag
Interview mit Justin Biegall
257Mag: Hey Justin, danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mich mit auf deine Tour zu nehmen. Für diejenigen, die ein bisschen mehr über dich erfahren wollen: Würdest du den Lesern und mir ein paar Eckdaten von dir geben? Wo kommst du her, wie alt bist du, wie würdest du dich beschreiben?
Justin: Ich bin im Berliner Norden geboren und aufgewachsen, 21 Jahre alt. Ich würde mich eher introvertiert, als extrovertiert, einschätzen. Ich bin Einzelkind, habe aber eine Stiefschwester. Bin eigentlich immer gut drauf oder müde.
257Mag: Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Justin: Mein Dad fotografiert seit ich denken kann und ich hab ab und an eine Kamera in die Hand gedrückt bekommen, um auch mal Bilder von ihm zu machen. Habs meistens geschafft, nicht die Füße abzuschneiden (some kinda talent?). Dann habe ich selber begeistert angefangen mit ner Samsung Digicam, dann iPod Touch, Samsung Galaxy S5, bis endlich die erste Dslr kam. Meinen Stil hab ich dabei immer weiter verfeinern können.
Justin Biegall bei der Arbeit | 257Mag Das Ergebnis | Justin Biegall
257Mag: Wie gehst du an deine Fotoprojekte ran? Ich habe dich jetzt begleitet und bereits einen ganz guten Eindruck bekommen, aber wie sieht dein Prozess normalerweise konkret aus? Planst du deine Shootings immer gut oder ziehst du auch spontan los und schaust mal, ob du zufällig etwas siehst?
Justin: Um ehrlich zu sein setze ich mir selten richtige „Projekte“, die ich erarbeiten will. Wenn ich auf Reisen gehe, suche ich mir meisten im Vorfeld Spots raus, die ich fotografieren will. Ich lasse mich aber natürlich auch viel von spontanen Funden begeistern. U-Bahnhöfe oder Treppenhäuser haben mich beispielsweise schon öfter ganz spontan gepackt. Aber auch Innenhöfe! Wenn ich an denen vorbeikomme, gehe ich da einfach rein, um sie mir genauer anzuschauen. Dort findet man oft wahre Schätze.
Wenn ich nicht auf Reisen bin, gehe ich sehr unterschiedlich vor. Ich suche auf Google Maps oder Instagram und plane dann die Tour. Manchmal entdecke ich einen neuen Spot auch im Vorbeilaufen, dann mache ich das abhängig von meinem Zeitbudget und der Schwierigkeit dort hinzukommen. Für mich allein bin ich sehr selten einfach nur spontan irgendwo unterwegs. Wenn ich mit befreundeten Fotografen auf Tour bin, lassen wir uns doch des öfteren einfach mal nur treiben.
257Mag: Hast du Vorbilder oder Instagrammer/Fotografen, die man als Archihunter definitiv mal auschecken müsste?
Justin: Ich sehe nicht nur Archihunter hier als Vorbilder bzw. Inspiration. Aber wen ihr euch definitiv mal anschauen müsst sind:
- @karstenkimble versteht einfach was es bedeutet, Personen in Bildern zu inszenieren.
- @lifewithfraser hat mit Architektur eigentlich überhaupt nichts am Hut. Aber er hat mich damals inspiriert, eine Spiegelreflexkamera zu kaufen.
- @chrismartinscholl – ich liebe seine Edits und seine Symmetrie (und ich bin ein bisschen neidisch auf seine Canon Collab ?).
- @philipp_goetze habe ich bei einem Instameet das erste mal gesehen. Ich liebe seinen Stil und seine pessimistische Einstellung gegenüber Instagram. Ich würde sie als Hassliebe beschreiben.
- @st_ella hat einfach geilen Content. (anm. der Red.: Stimmt)
- @crispylite war auf meiner großen Asienreise die erste Kontaktperson vor Ort und ist auf den Tag genau so alt wie ich – die Sympathie ist sehr groß.
Ich könnte dir noch viele mehr nennen, aber irgendwann muss ich auch mal aufhören 🙂
257Mag: Haha, ok! Was soll ich sagen, davon kannte ich bisher keinen. Aber dafür ist das 257Mag ja auch da: Horizonte erweitern! So, die sind alle nun in meiner Follow-Liste. Hast du Tipps für Leute, die dein Genre mal ausprobieren wollen? Worauf sollte man auf jeden Fall achten?
Justin: No.1 tipp: guck immer nach oben! Und sei in der Stadt lieber mit einem Weitwinkelobjektiv unterwegs. Außerdem: bleib einfach mal stehen, wenn du an einem interessanten Ort bist und schau dich um. Nimm dir die Zeit, denn dann wirst du unvorhergesehene Details entdecken. Spiegelungen erzeugen wirklich coole Stimmungen und sind an viele Orten zu finden. Auch hier gilt wieder Zeit nehmen und genau hinschauen.
257Mag: Hast du bereits ein nächstes Projekt oder Gebäude in Aussicht?
Justin: Keine Projekte, aber ich habe mir ein paar Ziele gesetzt. Dazu gehört z.B. besseres Know how rund um Photoshop (Anm. 257Mag: könnte ich auch gebrauchen).
257Mag: Die letzte Frage muss einfach sein, wenn man sich über Fotografie unterhält. Also bitte: What´s in your bag?
Justin: Wenn ich auf Reisen bin und wirklich alles mitnehme:
Canon EOS 750D (Anm. 257Mag: Justin hat nach unserem Treffen auf die Canon EOS R gewechselt)
- Canon EF-S 10-18mm f/4.0-5.
- Canon EF 24-70mm f/4.0
- Canon EF 50mm f/1.8
- Glaskugel
- 1 Extraakku
- Ladegerät
- 1 extra SD-Karte
- Reinigungsutensilien für die Objektive
- Capture Clip am Rucksack
- G-Drive mobile SSD 500GB Festplatte
- Seagate 4TB Festplatte
- Rollei c5i Stativ
- Laptop
257Mag: Danke Justin, ich hab mal wieder viel gelernt und eine Menge Spaß mit dir. Viel Erfolg weiterhin!
Nachwort in eigener Sache
Liebe Leserin, lieber Leser, 257Mag No.1 ist vorbei. Ich hoffe dir hat es gefallen. Wenn ja, dann freue ich mich sehr über deine Unterstützung in Form von Propaganda. Dies ist ein Leidenschaftsprojekt. Es lebt von den inspirierenden Menschen um uns herum, für die ich mir gern intensiv Zeit nehmen möchte. Zeit ist ja so eine komische Erfindung: Es gibt einfach nur 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Hätte ich doch nur eine Stunde mehr pro Tag…Dann wärens 257. Huch!
Mangels Tagesstunde 25 werden die Veröffentlichungen der Artikel erstmal keinem vorgegebenen Rhytmus folgen. Doch mein persönlicher Anspruch ist ein Artikel pro Monat. Daher zur Sicherheit ein heißer Tipp: Hol dir den Newsletter und/oder folge dem 257Mag auf deinem Lieblings Hass-Liebe-Kanal (Facebook oder Instagram). Danke, dass du dir die Zeit fürs Lesen genommen hast. Das bedeutet mir viel. Let´s stay in touch!
Hier noch einmal alle Bilder des Tages in einer Galerie zum Durchklicken und in Groß machen für den besonderen Augengenuss.